Bericht über Seminar in Darmstadt

Das CI schließt die Gebärdensprache nicht aus!

Seminar für gehörlose Eltern: Unser Kind hört mit CI – junge CI-Träger in der Schule

Seit 2004 findet fast alle 2 Jahr ein Seminarwochenende für gehörlose Eltern von Kindern mit CI statt, in diesem Jahr nun in Darmstadt.

Themen waren:

-    •   Inklusion-Konvention der UN

-    •   Schulklassen mit inklusivem Bildungsangebot

-    •   Pubertät und Hörbehinderung

-    •   Erfahrungsberichte von Hörbehinderten

-    •   Hörtaktik für Kinder und Eltern

-    •   Spracherwerb bei Kindern mit CI von hörbehinderten Eltern

Das Seminar begann am Freitag mit den Ausführungen von Prof. Dr. Ulrich Hase (Behindertenbeauftragter von Schleswig-Holstein und selbst hörbehindert) zum Thema Inklusion. Er stellte die Unterschiede von Inklusion und Integration dar: Inklusion ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, die Integration wendet sich dem einzelnen Menschen mit Behinderung zu. An folgenden Beispielen erläuterte er dies:

Wenn für einen Rollstuhlfahrer z.B. im Treppeneingang keine Rampe vorhanden ist, helfen die Nicht-Rollstuhlfahrer dabei, den Rollstuhlfahrer über die Treppe zu tragen. Das nennt man Integration. Für die Rollstuhlfahrer werden zwar Rampen gebaut, welche die Rollstuhlfahrer nun allerdings über einen Umweg fahren müssen. Die Nicht-Rollstuhlfahrer können die Abkürzung über die Treppe benutzen. Das ist keine 100%-ige Inklusion. In der Integration wird der „Außenseiter“ unterstützt und mit Hilfe begleitet. Will ein Gehörloser in einem Kreis von Hörenden kommunizieren, müssten alle die Gebärdensprache beherrschen.

Laut UN-Konvention müssen Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Inklusion erfordert im Bewusstsein der Gesellschaft einen Wandel.

 

Der Samstag begann mit einem Referat von Dr. Sascha Bischoff (Fachschuldirektor BBZ Stegen) über Schulklassen mit inklusivem Bildungsangebot. Seine Ausführungen erläuterte er mit Schaubildern von Schulen vornehmlich in Baden. Die Klassenfrequenz ist ca. 20 Schüler und davon bis zu 5 Hörbehinderte. Das gemeinsame Lernen fördert bei allen Schülern das soziale Bewusstsein, ohne dass die fachliche Entwicklung leidet. Unterrichtet wird mit einem Team aus Sonderpädagogen und Pädagogen allgemeiner Regelschulen. Laut Dr. Bischoff werden Elternwünsche für ihr hörbehindertes Kind berücksichtigt, soweit es die personelle Ausstattung der Schule zulässt.

Im anschließenden Vortrag sprach Frau Andrea Schott (Fachschuldirektorin aus Schwäbisch Gmünd) über das problematische Thema „Pubertät“. Sie erläuterte die im Gehirn ablaufenden Veränderungen während der Pubertätsphase sowie das ungeordnete, chaotische Wechselspiel der Hormone in dieser Zeit. Sie ging ein auf die Gefahren in der Pubertät und wie ihnen zu begegnen sei. Sie betonte, dass die Hörbehinderung keinen Einfluss auf die Pubertät habe, allerdings seien Hörbehinderte deutlich gefährdeter. Manche Frage konnte aus Zeitgründen nicht diskutiert werden, beim nächsten Seminarwochenende soll sie wieder dabei sein.

 

Anschließend stellte Ute Jung (selbst bilateral mit CI versorgt, Schulleiterin von Neuwied) Schüler und Ex-Schüler vor, die von ihren Erfahrungen in Förderschulen und allgemeinen Regelschulen berichteten. Der Vorteil in Förderschulen: der Klassenraum ist ruhiger, die Akustik ist angenehm, es redet stets nur einer. In Regelschulen sei eine FM-Anlage unverzichtbar, um Störgeräusche auszuschalten. Einer berichtete, dass er gern einen Gleichbetroffenen in der hörenden Klasse gehabt hätte.

Die Audiotherapeutin Petra Blochius, ebenfalls bilateral mit CI versorgt, erläuterte in ihrem Referat den Begriff „Hörtaktik“. Er umfasst alle Elemente, die ein Hörbehinderter zum guten Verstehen benötigt. Folgende Gliederung nahm sie vor:

-       äußere Faktoren: Raumakustik, Lichtverhältnisse, technische Hilfen etc.

-       innere Faktoren: Akzeptanz der eigenen Hörbehinderung, selbstbewusster Umgang mit der eigenen Behinderung

-       Verhalten des Gesprächspartners: er sollte aufgeklärt sein und auf die hörtaktischen Bedürfnisse eingehen

Frau Prof. Dr. Annette Leonhardt aus München war bei unseren Seminaren schön mehrfach zu Gast. Sie sprach über den Spracherwerb bei Kindern mit CI von hörbehinderten Eltern. Das Ergebnis ihrer umfangreichen, langjährigen Forschungen:

-       Nach frühzeitiger Implantation haben Kinder mit CI von hörbehinderten Eltern eine gleiche Sprachentwicklung wie Kinder hörender Eltern,

wenn

eine entsprechende Förderung oder Unterstützung gewährleistet ist.

-       Eine barrierefreie Kommunikation in der Familie beweist, dass sich Lautsprache und Gebärden nicht stören

-       Die Kinder kommunizieren je nach Bedarf dem gegenüber angepasst

-       etwa die Hälfte der Kinder verfügen über einen angemessenen Wortschatz in der Lautsprache, in der Gebärdensprache ist er vorwiegend durchschnittlich bis überdurchschnittlich, abhängig von dem Lautsprach- bzw. Gebärdensprachinputs

Abschließend bedankte sich Prof. Dr. Leonhardt bei den Eltern, die bei ihrem Forschungsprojekt mitmachten. Sie hofft, dass bundesweit weitere Elternpaare bereit sind, sich mit ihren Kindern mit CI für ihre Forschungen zur Verfügung zu stellen

Am Sonntag trafen sich die Seminarteilnehmer zu einer Diskussion mit den Herren Prof. Christian Rathmann und Rudi Sailer (Präsident des DGB).

Prof. Rathmann wurde eingeladen, da er mit seinem Beitrag „Spracherwerb für gehörlose Kinder: Minderung der durch fehlende Toleranz entstehenden Schäden – hin zum Einsatz alternativer Ansätze“ (aus DAS ZEICHEN 91/2012) sich kritisch zum CI äußert und vornehmlich Mängel für die Sprachentwicklung bei den Kindern mit CI sieht. Rudi Sailer wurde eingeladen als Präsident des Deutschen Gehörlosen-Bund. Da das Verhältnis der Gehörlosen ohne CI zu den Gehörlosen mit CI gespalten ist, sollte er sich ein Bild von bilingual geförderten Kindern mit CI machen. Einige in der Diskussionsrunde beteiligte Kinder mit CI berichteten von ihren negativen Erfahrungen im Umgang mit gehörlosen Kindern ohne CI. Sie wurden von diesen z.B. nicht als Spielkameraden akzeptiert. Eine gehörlose Mutter berichtete von ihrem großen Druck durch die Gehörlosen ohne CI während und nach der CI-Entscheidung, die sie für ihr gehörloses Kind in den 90-igen Jahren getroffen hatte.

Der aktuelle Wissenstand ist, dass gehörlose Kinder mit CI sowohl die Gebärdensprache als auch die Lautsprache beherrschen sollten. Beide sind sinnvoll und stören sich nicht. Sie können personen- oder situationsbezogen eingesetzt werden. Die Befürchtung vieler Gehörloser ohne CI, die Gebärdensprache stürbe wegen des CI`s aus, ist unbegründet. Die meisten CI-Klinken sind inzwischen von ihrer Empfehlung, die Gebärdensprache zu meiden, abgerückt. Sinnvoll wäre eine enge Zusammenarbeit zwischen dem dt. Gehörlosenbund und der DCIG. Der dt. Gehörlosenbund sollte Gebärdensprachkurse in CI-Reha-Centren anbieten für hörende Eltern von Kindern mit CI. Im CIC Wihelm-Hirte in Hannover wird es bereits auf eigene Initiative von einem hörbehinderten Vater praktiziert.

 

An die Kinder wurde auch gedacht:

Die Kinder durften an Trommelseminar sich beteiligen und hatten viel Spaß daran.

Und ein "Danke schön" an die Kinderbetreuung, die oft erfolgreich die Kinder von uns Eltern während des Seminars fernhielt.

Auch hatten wir nette Abende,

es wurden nicht nur Erfahrungen ausgetauscht. Sowohl die Eltern als auch die Kinder unterhielten sich auch in Gebärdensprache.

Der Präsident vom DCIG Franz Hermann und die Chefredakturin der Fachzeitschrift "Schnecke" Hanna Hermann waren auch mit dabei!